GLIESMARODE liegt am östlichen Rand des Stadtgebietes von Braunschweig. Das ehemalige Dorf wurde 1934 in die Stadt Braunschweig
eingemeindet und hat sich zu einem städtischen Siedlungsraum mit knapp 6000 Einwohnern entwickelt.
Das Gebiet um Gliesmarode war bis vor 1000 Jahren nicht besiedelt, sondern Teil eines großen Waldgebietes, das sich vom Harz bis in die Heide
erstreckte. Zwischen Schunter, Oker und Elm gab es versumpfte Bachtäler mit Eschen- und Erlenbestand, die Hügel trugen Wälder mit Buchen, Eichen,
vereinzelt auch Birken und Ulmen. Rodungen gab es erst spät. Noch im 18. Jahrhundert heißt es in einer Beschreibung Gliesmarodes: “der Körnerertrag ist geringer als in vielen anderen Dörfern”.
Erst als die Bevölkerung im 10. Jahrhundert unter der Herrschaft der Sachsenkönige stark anwuchs, entstanden 16 neue Siedlungen, unter ihnen
Gliesmarode, Volkmarode, Ottenrode (nördlich des Nussbergs), Harderode (nördlich von Querum), und Buscherode (im Ostteil des
Schapenbruchteiches). Die Rodung im Gliesmaroder Gebiet hat ein Mann namens Glismoth begonnen. In der St. Magni-Urkunde von 1031 wird die
Siedlung zum ersten Mal schriftlich erwähnt als "Glismoderoth" (Glismoth ist ein fränkischer Name, ´glizan´ heißt glänzen und ´moth´ Tatkraft).
Die erste Rodung erfolgte wohl zwischen dem heutigen Karl-Hintze-Weg, dem Friedhof und der Kirche. Jeder Acker wurde als Wannenflur
angelegt, d.h. das Flurstück bestand aus schmalen, langen Streifen, die an den Rändern eine Rinne hatten und zur Mitte hin hochgepflügt wurden. Wie
die Äcker waren auch die Wiesen und Weiden gemeinsamer Besitz des Dorfes. Land, das später urbar gemacht wurde, blieb nicht im Besitz der
Dorfgenossenschaft, sondern wurde als "Kamp" Besitz einzelner Bauern (Hungerkamp, Springkamp, Schapenkamp, Sandkamp, Kurze Kamp).
Einfach war das Leben für die Bauern in Gliesmarode nicht. Sie besaßen zwar die Äcker, aber der Wald, den sie einst rodeten, galt als Eigentum
des Grafen dem sie dienstpflichtig waren. Dazu hatten sie den Zehnten ihres Einkommens an die Kirche zu zahlen, ursprünglich an die Pfarre Atzum, vom Jahre 1031 an die Pfarre St. Magni in Brunswiek und von 1226 an das Kloster Riddagshausen. Das Kloster wurde immer mehr zum Herren in
Gliesmarode. Außer dem Zehnten erwarb es das Recht auf die Grundherrendienste und erhielt schließlich auch Grundstücke.
Der erste Grundstückserwerb des Klosters in Gliesmarode geht auf das Jahre 1161 zurück. Von Heinrich dem Löwen tauschte es 3,5 Hufe ein
und erhielt 5 weitere Hufe geschenkt. Nach weiteren Landerwerbungen wurde hier 1226, als das Kloster auch die Pfarrechte für Gliesmarode erhalten
hatte, ein Klosterhof (Grangerie) angelegt. Die Arbeiter der Mönche legten Entwässerungsgräben (Mittelriede) an, möglicherweise hat auch die Mühle am
Karl-Hintze-Weg, die erstmalig 1546 erwähnt wird, zu diesem Klosterhof gehört. Im Jahr 1500 bestand der Hof noch, er wurde sogar für 2000 Gulden von
der Grundherrschaft des Herzogs befreit. Aus Wabe und Mittelriede wurde später die Landwehr; vom Gliesmaroder Turm ist erstmals 1405 zu lesen.
1546 wurde der Klosterhof in drei Ackerhöfe mit je 3,5 Hufe geteilt die vom Kloster verpachtet wurden. 1834 wurde durch ein herzogliches Gesetz die
Ablösung aller herrschaftlichen Dienste und Abgaben verfügt. Dadurch konnte der bis dahin gemeinsam genutzte Grund und Boden unter den
Berechtigten aufgeteilt werden und ließen sich die Flurwannen zu größeren Äckern vereinigen. Die Gliesmaroder hatten aber nicht nur aufgrund ihrer Abhängigkeit vom
Kloster Riddagshausen Schwierigkeiten, sondern eben auch, weil das Dorf unmittelbar vor der Landwehr der Stadt Braunschweig lag. Diese war im 14. Jahrhundert angelegt worden; sie bestand aus einem mit dornigem Buschwerk
bewachsen Erdwall zwischen zwei wassergefüllten Gräben. Im Osten Braunschweigs verlief sie von Rühme aus zwischen Mittelriede und Wabe in das Gliesmaroder Gebiet und dann westlich vom Kloster Riddagshausen bis
zum Schöppenstedter Turm. Andere Beobachtungsposten waren der Raffturm und der Ölperturm. Zur Sicherung der Kreuzung mit der altmärkischen Straße wurde schon im 14. Jahrhundert der Gliesmaroder Turm erbaut. Leider ist
unbekannt, wie dieser einmal ausgesehen hat. Er ging zum ersten Mal in Flammen auf, als Herzog Heinrich der Ältere am 6. September 1492 mit seinen Truppen in das Stadtgebiet Braunschweigs eindrang. Es gelang ihm zwar nicht,
die Stadt im Sturm zu nehmen, aber mit der Zerstörung des Gliesmaroder Turms wurde den Braunschweigern doch großer Schaden zugefügt. Der Turm unterstand den Landwehrvögten, die für die Unterhaltung der Anlagen sorgen
mussten. Noch im Jahr 1595 gab es einen städtischen Reiter auf dem Marstall, der den Auftrag hatte, ständig die Landwehren zu kontrollieren. 1763 wurde die
Anlage in Gliesmarode abgebrochen und elf Jahre später als Zollgebäude und Krug auf den alten Grundmauern wieder aufgebaut. Seit 1894 ist sie als Gaststätte in den Händen der Familie Gübel.
Noch mehrmals wurde Gliesmarode bei den
Auseinandersetzungen zwischen dem Herzog von Wolfenbüttel und der Stadt Braunschweig geplündert, abgebrannt und verwüstet. So 1550 durch die
Truppen des Herzogs, 1600, 1602 und 1606 durch die der Braunschweiger. Die Einwohner waren schließlich so arm, dass Herzog Heinrich Julius im
Jahre 1607 eine öffentliche Sammlung zum Wiederaufbau ihrer Höfe genehmigte.Nach dem Mittelalter verloren die Landwehren allmählich an Bedeutung.
1763 wurde das Grundstück Gliesmaroder Turm veräußert und ging in Privatbesitz über; nur der Schlagbaum blieb noch lange erhalten. Bis vor gut 100
Jahren war Gliesmarode nur von der Landwirtschaft geprägt, aber in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts setzte eine Entwicklung ein, die ein
beachtliches Ansteigen der Bevölkerungszahl, der Verkehrsmittel und der gewerblichen Unternehmungen mit sich brachte. Bei der Bebauung erhielt die
Siedlung die Form eines Einwege- oder Haufendorfes, die sich in der Gründerzeit bei manchen Überfällen bewährt hatte. Wie die Flurkarte von 1754 zeigt, standen die Häuser im Bereich des heutigen Karl-Hintze-Weges.
Neben der altmärkischen Straße verband die Eisenbahn Gliesmarode mit dem Rest der Welt. 1894 entstand an der Strecke Braunschweig-Gifhorn der Bahnhof Gliesmarode. 1902 wurde die Braunschweig-Schöninger Eisenbahn mit zwei Bahnhöfen im Gliesmaroder Gebiet
(Braunschweig-Nordost und Gliesmarode-Ost) gegründet. Als vierter Bahnhof entstand 1904 der Bahnhof der Landeseisenbahn nach Fallersleben mit der
Bezeichnung "Braunschweig-Ost". Eine weitere Erschließung kam für Gliesmarode mit der Straßenbahn. Kurz nachdem am 28.Oktober 1897 die erste
elektrische Straßenbahn in Braunschweig gefahren war, wurde am 11. Dezember desselben Jahres die "rote Linie" Westbahnhof-Gliesmarode eröffnet.
Ursprünglich fuhr sie bis zum Bahnhof, wurde dann aber Stück für Stück verlängert und 1948 von der Firma Voigtländer auf eigene Kosten bis zum Betriebsgelände erweitert.Von den größeren Unternehmungen, die es in Gliesmarode einst gab, existieren viele heute nicht mehr. Das gilt insbesondere für die Firma
Voigtländer, die zeitweise über 2000 Beschäftigte hatte. Diese Firma - 1756 von dem Feinmechaniker Johann Christoph Voigtländer in Wien
gegründet - wurde 1849 nach Braunschweig verlegt. Dies geschah auf Wunsch der Ehefrau, die gebürtige Braunschweigerin war. Nachdem der
Betrieb an der Campestraße zu klein geworden war, wurde nach dem ersten Weltkrieg das Betriebsgelände in Gliesmarode erschlossen. Um 1900
gab es noch die Ziegelei Franz Eduard Meyer, auf deren Gelände heute Wohnungen stehen. Verschwunden ist auch die Betonwarenfabrik
Kuhlmann, die seit 1883 an der Querumer Straße existierte, und deren Gelände jetzt bebaut ist. Mit dem Ausbau der Berliner Straße verschwanden
auch die Gebäude, in denen einst die Fleischwarenfabrik Struck und Witte und davor die Großschlachterei Denecke und Himmel untergebracht
waren (nach Herrn Himmel wurde die Siedlung benannt, die diese Schlachterei für ihre Arbeiter und Angestellten im Gebiet
Kurzekampstraße/Mittelriede baute: das Himmelreich). Eingegangen ist auch das älteste Unternehmen Gliesmarodes, die Mühle, die um 1900 herum
als "Dampfhandelsmühle Gliesmarode" von großer Bedeutung war.Noch vor dem ersten Weltkrieg wurde im Jahre 1904 das Librawerk in
Gliesmarode gegründet, eine bedeutende Fabrik zur Fertigung von Waagen und Meßinstrumenten. Durch die rechtzeitige Umstellung auf elektronische Bauelemente genießt das Werk
noch heute weltweiten Ruf. Eine weitere Firma, Fricke und Nacke, seit 1935 in Gliesmarode ansässig, fertigt Dosen - nicht nur praktisches Verpackungsmaterial, sondern vor allem Schmuckdosen, die bei der Bevölkerung beliebt sind.
Nach dem 1. Weltkrieg gab es regelrechte Siedlungswellen: 1922 die Wabetalsiedlung, dann der Messeweg und Hasselteich. Am 1.4.1934
wurde Gliesmarode in die Stadt Braunschweig eingemeindet. Es entstand die Fritz-Alpers-Siedlung (heute Friedensallee), der "Hitlerring" (am
Sandkamp), die Kasernen an der Voigtländerstraße und vieles mehr. Während und nach dem 2. Weltkrieg kam der Pappelberg dazu, in den Jahren des Wiederaufbaus die Carl-Zeiß-Straße,
Max-Planck- und Einsteinstraße. Nachdem aus dem kleinen Dorf zunächst ein Industriegebietgeworden war, wurde es jetzt zum beliebten Wohnviertel der Stadt Braunschweig.
Das Wabetal, der Nußberg, die Riddagshäuser Teiche, die nahe Buchhorst und die Nähe des Stadtzentrums machten Gliesmarode für viele Wohnungssuchende interessant.
Christen hat es in Gliesmarode schon immer gegeben, aber erst als der Ort über 3000 Einwohner hatte, wurde die Kirchengemeinde 1935 selbstständig. Unter ihrem ersten Pfarrer
Hermann Dosse wurde das Grundstück an der Berliner Straße erworben und Kirche und Pfarrhaus gebaut. Am 20. Dezember 1936 wurde die Kirche eingeweiht und erhielt zum Gedächtnis an den
Reformator der Stadt Braunschweig den Namen "Bugenhagenkirche". Die relative Ausführlichkeit dieses
Artikels erklärt sich aus der Tatsache, dass der Autor von 1956 bis 1971 in Gliesmarode gelebt hat. Ohne die bewundernswerte Arbeit von Pfarrer Hansmann hätte er in dieseer Form nie entstehen können. Bilder historische Bilder
Quellen / weitere Informationen:
elm-asse-kultur.de/
www.gliesmarode.de
www.braunschweig.de